Heute ist mir spontan das Wort “unverblümt” in den Sinn gekommen. Einfach so. Dabei fällt mir auf, dass das Wörtlein “unverblümt” irgendwie auch an “Blümchen” erinnern soll. Womöglich aber eben eher an das Fehlen derjenigen. Mit anderen Worten, dass es also auch ohne die Blümchen geht. Wozu wären denn Blümchen gedacht? Am Verstellen des Blickes auf das Wesentliche, was als Information gesagt werden soll? Und tatsächlich gibt das Wörterbuch zum Wort “unverblümt” ebenso unverblümt Auskunft: “Adjektiv, ganz offen und ohne Umschweife.”
Wow! Ganz offen und ohne Umschweife! Das ist doch mal eine Ansage. Bevor du diese Definition gekannt hast, ging es dir da beim Wort “unverblümt” nicht auch durch den Kopf, dass unverblümt sein, etwas mit frech, vorlaut, und weiteren, vor den Kopf stossenden Attributen zu tun haben könnte? Das jemand, der unverblümt seine Meinung sagt, gar etwa rüpelhafte Züge hätte, ja gar ein unangenehmer Zeitgenosse sein könnte? Ja?
Dabei könnte “unverblümt” doch auch ganz schön sein. Offen und ohne Umschweife (…ohne Hintergedanken, ohne versteckte Absichten etc.) miteinander zu kommunizieren.
“Hand aufsHerz…oder auf den Mund…”
Wer ist denn heute noch ganz offen? Wann, wo und überhaupt? Wer kommt denn heute noch ohne Umschweife zur Sache, auf den Punkt, trifft den Nagel auf den Kopf, dass man gleich weiss, was Sache ist? Wohl wenige. Viele glauben, man könne es sich nicht leisten. Erst als finanziell unabhängiger Philanthrop, Multimilliardär vielleicht. Die offene Rede wird versteckt hinter allerlei Formen von Ränken, Konjunktivformen wie, könnte, würde, “man”… und der allgegenwärtigen Angst, wovor auch immer.
Es ist Mode geworden nicht offen und ohne Umschweif zu kommunizieren Die ursprünglichen “Blümchen” standen ja eher für ein “um den Brei herumreden”, denn für etwas anderes. Klar findet das “um den Brei herumreden” ja immer noch statt. Aber die netten “Blümchen” wurden mittlerweile durch einen klebrigen undurchsichtigen Brei von Halbwahrheiten und handfesten Lügen ersetzt. Elegant neudeutsch ausgedruckt: Fake News. Auf dem Altar der Fake News wurde auch die altertümliche und leicht erkennbare “Zeitungsente” geopfert.
Schon vor der Zeit des weltweiten Zwischennetzes (www) hiess es, es gäbe Printmedien, die man am besten mit einer Gabel lesen sollte, denn dann hätte man die Gelegenheit, alles was mutmasslich falsch ist, auch gleich auf oder zwischen den Zeilen herauszufischen.
Sogar Harry Potter musste sich mit “du weisst schon wem” herumschlagen, weil sich niemand traute, offen und unverblümt zu reden. “Schöne Zeiten sind das!” könnte man sich vorstellen diese Worte Rubeus Hagrid unverblümt in den Mund legen zu wollen. Tut ja keiner!
Okay, und was jetzt? Wenn wir uns zuweilen ertappen sollten, wie wir uns im Gestrüpp des weltweiten Netzes verheddern, dann wäre es doch an der Zeit, die ganze Suppe offen und ohne Umschweife dort dampfen zu lassen (…ich habe Suppe geschrieben) wo sie gerade dampft und mich offen und ohne Umschweife um das zu kümmern, was mich persönlich weiterbringt, was mir hilft, auf die beste Art und Weise zu mir selbst und auch anderen gegenüber unverblümt zu sein. Ja, das wär was! Die edle Form der Unverblümtheit macht jeden von uns menschlicher, erkennbarer, reifer und autonomer und darüber hinaus, erreichen wir unsere persönlichen Ziele schneller, eben offen und ohne Umschweife.
Akzeptiere ich mich genug, dass ich unverblümt zu mir selbst sein kann? Und du?
Ich wünsche dir dabei viel Erfolg!
Alfred